Unser Bild von der Liebe
- Teresa Kotter

- 29. Sept.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 5. Nov.
Das Bild meiner Großeltern hängt über meinem Schreibtisch. (Leider nicht das was hier zu sehen ist..) Sie sehen sehr glücklich und verliebt aus auf dem Foto. Haben ein langes Leben voll schwerer Kriegserfahrungen und anderer Herausforderungen miteinander verbracht und fünf Kinder großgezogen. Sie sind ihren Weg gemeinsam gegangen.

Damals waren die Erwartungen an Beziehungen ganz andere als heute. Scheidungen gab es selten und für alleinstehende Frauen war es nicht leicht. Es gab wesentlich weniger Spielräume in Bezug auf die Gestaltung von Beziehungen. Das schenkte ein recht hohes Maß an Sicherheit aber hatte in vielen Fällen auch einen hohen Preis.
Ich weiß nicht genau wie glücklich meine Großeltern wirklich miteinander waren. Auch wenn es von außen gesehen eine gute Beziehung war gab es glaube ich auch sehr viel Unausgesprochenes und Schweres zwischen den Ehepartnern. Wurden viele Opfer gebracht um diese Beziehung stabil zu halten. Ob das nun gut oder schlecht ist mag ich nicht beurteilen.
Heute können, dürfen und müssen wir anders lieben. Wir haben andere Erwartungen und Möglichkeiten in Bezug auf Partnerschaft. Unser Bild von Ehe und Beziehung ist bunter geworden und das ist auch gut so. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften, offene Beziehungen, Patchwork, Eltern-WG, LAT-Beziehungen oder Polyamorie, sowie verschiedene Grade von Nähe und Verbindlichkeit. So vieles ist heute möglich.
Das macht es nicht unbedingt einfacher, aber es macht uns freier.
Das Ziel einer Ehe oder Partnerschaft ist heute nicht mehr unbedingt irgendwie gemeinsam oder nebeneinander durch die Herausforderungen des Lebens und des Alltags zu navigieren. Sondern oft auch: einander dabei gut zu tun. Sich zu unterstützen, zu entfalten, einander zu sehen und bestenfalls glücklich zu machen. Und vielleicht auch noch ein Familienleben zu gestalten und gemeinsam Kinder großzuziehen, was neue Herausforderungen mit sich bringen kann.
Und das in unserer schnelllebigen, herausfordernden Zeit, in einer Gesellschaft die sich so rasant verändert wie noch nie, in der das Internet und die Sozialen Medien unser Leben maßgeblich beeinflussen. In der uns immer wieder perfekte Bilder von Partnerschaft und Familien in den Feed gespült werden und uns suggerieren: da geht noch mehr.
Und im Gegensatz dazu unsre Gesellschaft, die leider wenig kinderfreundlich ist. Oder emanzipiert.
Und das Leben selbst, in dem uns manchmal Herausforderungen begegnen die wir so nie erwartet hätten. Wie zum Beispiel die Pandemie, Arbeitslosigkeit, schwere Krankheit, Armut oder andere Schicksalsschläge.
Partnerschaft erfordert immer wieder aufs Neue ein miteinander und aneinander Arbeiten. Aufeinander zugehen und sich wertschätzen. Das Leben bringt Veränderung mit sich und so dürfen auch unsere Beziehungen mit uns wachsen.
Die Prägungen und Erfahrungen aus unserer eigenen Vergangenheit, die wir oft wie einen schweren Rucksack mit uns tragen beeinflussen unsere Beziehungen. Und oft braucht es einiges an gemeinsamer Arbeit um ihnen gerecht zu werden.
Immer wieder sitzen Paare bei mir in der Praxis die alte Themen aus ihrer Kindheit in ihrer Beziehung miteinander ausagieren.
Unserer Bindungsmuster werden schon früh geprägt. Und beeinflussen insbesondere unseren Umgang mit unseren Liebsten. Hier hinzuschauen, Verständnis füreinander zu entwickeln, das eigene Verhalten zu hinterfragen und ggf neue Strategien zu entwickeln kann sehr fruchtbar sein.
Nicht immer gelingt es uns.
Manchmal kommt zur Trennung. Und zugleich bleiben wir, wenn wir Eltern sind dennoch weiter verbunden. Und insbesondere zum Wohl unserer Kinder ist es sinnvoll zu versuchen einen Weg miteinander zu finden der diesem Umstand Rechnung trägt. Das kann sehr herausfordernd sein und braucht manch einmal achtsame und professionelle Begleitung.
Vielleicht passt das innere Bild von Beziehung, das bei vielen dem von meinen Großeltern ähneln mag nicht mehr zur eigenen Lebensrealität. Und dann wird es spannend. Wir dürfen und müssen eigene Regeln aufstellen und bekommen große Gestaltungsfreiräume. Dass kann Angst machen und an tiefgehenden Mustern und Prägungen rütteln. Viel Unsicherheit und Herausforderung mit sich bringen. Und doch mag es für den einen oder anderen auch eine wunderbare Möglichkeit sein, das Leben freier, reichhaltiger und glücklicher zu gestalten.
Wo immer euch euer Weg hinführen mag, gern begleite ich euch dabei ein Stück. Helfe euch beim Einreissen alter Muster oder beim Brückenbauen, beim Entwickeln von Verständnis, Wertschätzung und Vertrauen.




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